Neue Erkenntnisse zu Biomarkern: Schlüssel zur Früherkennung, Diagnosesicherung und Therapieentwicklung bei Parkinson

07. April 2025 – Parkinson kann bislang nur symptomatisch behandelt werden, doch die Forschung arbeitet intensiv an ursächlichen Therapien. Ein Schlüssel zur Unterstützung neuer klinischer Studien ist die Identifikation von Biomarkern messbaren biologischen Indikatoren, die den pathologischen Prozess frühzeitig aufzeigen und den Verlauf abbilden. Diese eröffnen neue Möglichkeiten zur Frühdiagnose als Basis für krankheitsmodifizierende Therapien. „Wir erleben eine spannende Zeit in der Parkinson-Forschung. Die aktuellen Fortschritte machen die Entwicklung krankheitsmodifizierender Therapien in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten realistisch“, sagt Professorin Brit Mollenhauer, dritte Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. anlässlich des Welt-Parkinson-Tags 2025. Die Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel und Professorin für Translationale Biomarkerforschung für neurodegenerative Erkrankungen der Universitätsmedizin Göttingen widmet sich seit Jahren der Entwicklung von Biomarkern für Parkinson, um Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung zu überführen.

 

Neue Testverfahren zur Diagnose Jahre vor Symptombeginn 

Die Biomarker-Forschung ist besonders für die Früherkennung von großer Bedeutung. Bislang basiert die Diagnose ausschließlich auf der Beobachtung typischer Symptome und neurologischen Untersuchungen. Ein Durchbruch könnte die verlässliche Identifikation spezifischer Proteine, darunter fehlgefaltetes alpha-Synuclein, im Nervenwasser oder Blut sein. So könnte die Erkrankung schon Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome diagnostiziert werden – eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung präventiver Behandlungsansätze bei Parkinson. Ein Meilenstein der Biomarker-Forschung waren schon 2018 und im Mai 2023 die Ergebnisse einer Studie, an denen auch Professorin Mollenhauer beteiligt war: Mithilfe eines neuen Seed Amplification Assay (SAA) konnten Forschende erstmals fehlgefaltetes alpha-Synuclein in vivo im Nervenwasser (Liquor) von Menschen mit Parkinson mit hoher Genauigkeit nachweisen [1]. Mit einer Treffsicherheit von 97 Prozent zur Unterscheidung zwischen Parkinson-Erkrankten und Gesunden ist der Test sowohl hochsensitiv als auch hochspezifisch. Personen mit klaren Risikofaktoren, wie einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung – einem Hinweis auf alpha-Synuclein-Aggregation im Gehirn – können bis zu zehn Jahre vor dem Auftreten motorischer Parkinson-Symptome im SAA-Test positiv sein. Bis vor kurzem konnte neuronales alpha-Synuclein nur post mortem gemessen werden. Der neue Test bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Forschung: Eine aktuelle Studie schlägt vor, Parkinson als neuronale alpha-Synuclein-Krankheit neu zu definieren, unabhängig vom Vorliegen spezifischer klinischer Symptome, was eine frühzeitige Diagnose und Intervention ermöglichen könnte [2].

Blutbasierte Proteinanalysen – Parkinson-Frühdiagnose in der Hausarztpraxis? 

Die Wissenschaft arbeitet nun intensiv daran, die Analyse so weiterzuentwickeln, dass sie auch im Blut oder in der Haut gelingt. „Wir brauchen ein Verfahren, das praktikabel ist für die klinische Anwendung. Risikopatientinnen und -patienten großflächig zur Liquorpunktion einzuladen, ist unrealistisch. Mit einem Bluttest könnte Parkinson ohne großen Aufwand dagegen schon in der Hausarztpraxis festgestellt werden, um dann frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen“, sagt Professorin Mollenhauer. Gemeinsam mit ihrem Team der Universitätsmedizin Göttingen hat sie in einem internationalen Kooperationsprojekt mit KI-Unterstützung einen Bluttest entwickelt, der die Parkinson-Erkrankung bei Risikopatientinnen und -patienten anhand von acht Proteinen bis zu sieben Jahre vor dem Auftreten motorischer Symptome vorhersagen kann [3]. Diese Biomarker korrelieren mit Entzündungsprozessen und Proteinabbau-Mechanismen, die der Erkrankung zugrunde liegen. Der Test soll im nächsten Schritt für die klinische Anwendung weiterentwickelt werden. 

Eine andere Weiterentwicklung, an der Professorin Mollenhauer und ihr Team beteiligt waren, ist ein neuer synSAA, der in der Lage ist, verschiedene Arten von alpha-Synuclein-Pathologien zu unterscheiden: Lewy-Körperchen (typisch für Parkinson und Lewy-Körper-Demenz) und Gliazellen-Einschlüsse (typisch für Multisystematrophie, MSA) [4]. 

Blick ins Gehirn: Früherkennung mit bildgebenden Verfahren 

Neben molekularen Biomarkern, die systemische Veränderungen messen, könnten neue bildgebende Verfahren unter Einsatz von Biomarkern alpha-Synuclein-Aggregationen im Gehirn visualisieren und damit sogar noch größere Zeitfenster vor der klinischen Manifestation eröffnen, um neurodegenerative Prozesse frühzeitig zu stoppen. Der Positroen-Emissions-Tomographie-PET-Tracer [18F] ACI-12589 bindet spezifisch an alpha-Synuclein-Ablagerungen bei Menschen mit Multisystematrophie und ermöglicht so, diese von Gesunden und Betroffenen mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen, einschließlich Parkinson, zu unterscheiden [5]. 

Personalisierte Therapien: Genetik, Immunsystem, Mikrobiom und digitale Biomarker 

In der Therapieentwicklung dienen Biomarker als objektive Messgröße für klinische Studien und erlauben eine Stratifizierung von Patientengruppen nach genetischen Profilen – etwa Träger einer Mutation im GBA-Gen als wichtige genetische Risikovariante – und schaffen so die Grundlage für maßgeschneiderte Behandlungen. „Durch Identifikation von Biomarkern ist es möglich, zwischen den beteiligten Stoffwechselwegen und zugrundeliegenden Pathologien zu unterscheiden. So können nicht nur neue Wirkstofftargets sondern auch gezielt Betroffene identifiziert werden, die individuell besonders von einem bestimmten Therapieansatz profitieren“, erklärt Professorin Mollenhauer.  
Auch bei Patientinnen und Patienten mit nicht genetisch bedingter Parkinson-Krankheit wird an Biomarkern geforscht. So könnte ein besseres Verständnis der Rolle des Immunsystems bei Parkinson zu personalisierten Therapieansätzen führen, die auf die spezifischen Immunprofile der Betroffenen zugeschnitten sind. Eine Studie hat gezeigt, dass eine bestimmte Untergruppe von Immunzellen, CD8-TEMRA-Zellen, im Blut von Parkinson-Patientinnen und -Patienten im frühen bis mittleren Stadium vermehrt vorhanden und stärker differenziert sind als bei gesunden Kontrollpersonen [6].

Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms wurden als potenzielle mikrobielle Biomarker für Parkinson identifiziert und bieten Ansatzpunkte für personalisierte Diagnostik und Therapien [7]. Auch digitale Biomarker spielen eine wichtige Rolle, um motorische und nichtmotorische Symptome als Grundlage für eine zielgerichtete Therapie objektiv zu erfassen.

Präventiv-personalisierte Parkinson-Medizin 

„Wenn es gelingt, die Ergebnisse der Biomarker-Forschung für die klinischen Studien und weiter dann auch in der Routine zu validieren, wäre das ein entscheidender Schritt im Parkinson-Management von der rein symptomatischen hin zu einer präventiv-personalisierten Medizin“, erklärt Professorin Mollenhauer. „Schon heute lässt sich das Erkrankungsrisiko senken, durch körperliche Aktivität, die Vermeidung von langjährigen Umweltgiften, Schutz vor wiederholten Hirntraumata oder eine gesunde Darmflora, die mit einer entsprechenden Ernährung unterstützt wird. Ich halte es für realistisch, dass wir bis zum Jahr 2040 auch über krankheitsmodifizierende Therapien verfügen.“ 

Literatur 

[1] Siderowf A, Concha-Marambio L, Lafontant DE, et al. Assessment of heterogeneity among participants in the Parkinson's Progression Markers Initiative cohort using α-synuclein seed amplification: a cross-sectional study. Lancet Neurol. 2023;22(5):407-417. doi:10.1016/S1474-4422(23)00109-6

[2] Simuni T, Chahine LM, Poston K, et al. A biological definition of neuronal α-synuclein disease: towards an integrated staging system for research. Lancet Neurol. 2024;23(2):178-190. doi:10.1016/S1474-4422(23)00405-2

[3] Hällqvist J, Bartl M, Dakna M, et al. Plasma proteomics identify biomarkers predicting Parkinson's disease up to 7 years before symptom onset. Nat Commun. 2024;15(1):4759. Published 2024 Jun 18. doi:10.1038/s41467-024-48961-3

[4] Ma Y, Farris CM, Weber S, et al. Sensitivity and specificity of a seed amplification assay for diagnosis of multiple system atrophy: a multicentre cohort study. Lancet Neurol. 2024;23(12):1225-1237. doi:10.1016/S1474-4422(24)00395-8

[5] Smith, R., Capotosti, F., Schain, M. et al. The α-synuclein PET tracer [18F] ACI-12589 distinguishes multiple system atrophy from other neurodegenerative diseases. Nat Commun14, 6750 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-42305-3 

[6] Capelle CM, Ciré S, Hedin F, et al. Early-to-mid stage idiopathic Parkinson's disease shows enhanced cytotoxicity and differentiation in CD8 T-cells in females. Nat Commun. 2023;14(1):7461. Published 2023 Nov 20. doi:10.1038/s41467-023-43053-0

[7] Zhao Z, Chen J, Zhao D, Chen B, Wang Q, Li Y, Chen J, Bai C, Guo X, Hu N, Zhang B, Zhao R, Yuan J. Microbial biomarker discovery in Parkinson's disease through a network-based approach. NPJ Parkinsons Dis. 2024 Oct 26;10(1):203. doi: 10.1038/s41531-024-00802-2. PMID: 39461950; PMCID: PMC11513973.

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Die Parkinson-Stiftung engagiert sich in den Bereichen „Forschen. Informieren. Betroffenen helfen“. Sie informiert und klärt zur Parkinson Erkrankung auf. Sie fördert die Prävention und Früherkennung und unterstützt die Selbsthilfe von Betroffenen. Die Wissenschaft, Forschung, Lehre, Aus- und Fortbildung im Bereich des Parkinson-Syndroms, neurologischer Bewegungsstörungen und anderer degenerativer Erkrankungen des Nervensystems wird von der Stiftung aktiv gefördert, um die medizinische Versorgung in diesem Bereich zu verbessern. Die Stiftung setzt sich im Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit für neue Therapien ein, die nicht nur Symptome lindern, sondern die Krankheit verlangsamen oder heilen können. Dadurch soll die Lebensqualität der Betroffenen weiter verbessert werden. Parkinson breitet sich weltweit zunehmend aus – aktuelle Schätzungen gehen von etwa 6 Mio. Betroffene weltweit aus. In Deutschland sind hiervon mehr als 400.000 Menschen betroffen, Tendenz steigend. 

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