07. April 2025 – Parkinson lässt sich bislang nur symptomatisch behandeln – die Forschung sucht intensiv nach neuen krankheitsmodifizierenden Therapieansätzen. Im Bereich der medikamentösen Therapie stehen zwei Wirkstoff-Targets im Fokus: der GLP-1-Rezeptor, dessen Aktivierung neuroprotektive Effekte haben könnte, und alpha-Synuclein, dessen Aggregation mit der Pathogenese von Parkinson in Verbindung steht. „Beides sind äußerst spannende Ansätze, die Hoffnung wecken, dass es in naher Zukunft erstmals möglich wird, das Fortschreiten neurodegenerativer Prozesse zu verlangsamen“, betont Professorin Kathrin Brockmann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. anlässlich des Welt-Parkinson-Tags 2025. Anfang 2024 hat eine Subgruppen-Analyse [1] der PASADENA-Studie [2] angedeutet, dass der alpha-Synuclein-Antikörper Prasinezumab für Betroffene mit schnellerem Krankheitsverlauf in der Frühphase der Erkrankung Vorteile bietet. Mit der PADOVA-Studie haben weitere Forschungsaktivitäten mit Prasinezumab als Zusatzbehandlung zur symptomatischen Standardtherapie begonnen [3]. Der aus der Diabetes-Behandlung bekannte GLP-1-Rezeptoragonist Exenatid, der in früheren Studien interessante Daten lieferte, zeigte in der aktuellen Phase-III-Studie allerdings keine signifikanten Vorteile [4].
„In der Subgruppenanalyse der PASADENA-Studie wurde der Fokus auf Erkrankte mit schnellerer motorischer Progression gelegt, was die Wahrscheinlichkeit, einen potenziellen Behandlungseffekt über einen kurzen Zeitraum von einem Jahr zu detektieren, erhöhte“, erläuterte Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen, Forschungsgruppenleiterin am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung und am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen. Aktuelle Analysen aus der open-label Extensionsphase [5] der PASADENA-Studie [2] deuteten darauf hin, dass eine längere Gabe von Prasinezumab über vier Jahre hinweg das Fortschreiten der Erkrankung bei allen behandelten Patientinnen und Patienten verlangsamen könnte. Sowohl in der PASADENA-Gruppe mit direktem (n = 177) als auch mit verzögertem Behandlungsbeginn mit Prasinezumab (n = 94) zeigte sich ein langsameres Fortschreiten der motorischen Einschränkungen gemessen am MDS-UPDRS Part III-Score (MDS-UPDRS, Movement-Disorder-Society Unified Parkinson's Disease Rating Scale) als in einer externen Vergleichsgruppe (n = 303) [5].
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse bleiben die Forschenden zurückhaltend: „Die Hauptlimitation der aktuellen Analyse ist das Fehlen einer echten Placebo-Kontrollgruppe. Der Vergleich mit der PPMI-Kohorte, so sorgfältig er auch durchgeführt wurde, kann eine randomisierte, placebo-kontrollierte Studie nicht ersetzen“, betont Professorin Brockmann. „Zur Validierung von Effekten, die möglicherweise eher schwach sind oder nur für eine bestimmte Subpopulation zutreffen, müssen wir die Ergebnisse placebo-kontrollierter Langzeitstudien mit größerer Studienpopulation abwarten.“
PADOVA-Studie untersucht Prasinezumab als Zusatztherapie im frühen Stadium der Parkinson-Krankheit
„Die positiven Erkenntnisse aus der Subgruppenanalyse und der Extensionsphase von PASADENA gaben Anlass für die Initiierung der Phase-IIb-Studie PADOVA“, berichtete Brockmann. Die PADOVA-Studie hat kürzlich die Phase der Rekrutierung erfolgreich beendet und untersucht nun die Effekte von Prasinezumab (intravenös 1.500 mg alle 4 Wochen) als Zusatztherapie zur bestehenden symptomatischen Therapie bei Patientinnen und Patienten im frühen Stadium der Parkinson-Krankheit [3]. Alle 586 Teilnehmenden (mittleres Alter 64,2 Jahre, 63,5 % männlich) waren bereits auf die Dopamin-Vorstufe Levodopa (74,2 %) oder MAO-B-Hemmer (25,8 %) eingestellt. Diese Medikamente hemmen gezielt das Enzym MAO-B, wodurch der Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamt wird. „Im Vergleich zur PASADENA-Kohorte sind die Erkrankten in PADOVA etwas älter (∼5 Jahre), länger erkrankt (∼8 Monate) und gemäß MDS-UPDRS Part III-Score (∼3 Punkte mehr) etwas mehr eingeschränkt in der Motorik“, hob Brockmann hervor [3].
Die Ergebnisse aus PADOVA werden daher wichtige Einblicke in eine schon symptomatisch behandelte Patientenpopulation liefern. „Bis dahin bleibt Prasinezumab und die Reduktion von alpha-Synuclein-Aggregationen und -Ablagerungen ein spannender Ansatz zur Therapie der Parkinson-Krankheit“, so die Einschätzung von Brockmann.
Forschungsinteresse zu GLP-1 Rezeptoragonisten nach wie vor hoch
Der GLP-1-Rezeptoragonist Exenatid hat in einer aktuellen Phase-III-Studie keine signifikanten Vorteile hinsichtlich einer Krankheitsmodifikation bei Morbus Parkinson gezeigt [4]. Frühere vielversprechende Daten hatten die Hoffnungen geweckt, dass Exenatid den Krankheitsfortschritt verlangsamen könnte [6,7]. In der aktuellen Studie wurden 194 Teilnehmende mit einer Parkinson-Diagnose (25-80 Jahre, 71 % Männer), die bereits mit L-Dopa behandelt wurden, auf eine zusätzliche Behandlung mit Exenatid (n=97) oder Placebo (n=97) randomisiert. Primärer Endpunkt war die Entwicklung des MDS-UPDRS Part III (motorischer Subscore). In der Exenatid-Gruppe kam es in der aktuellen Studie nach 96 Wochen zu einer Verschlechterung um 5,7 Punkte, in der Placebogruppe um 4,5 Punkte [4].
Die Forschenden betonen, dass der GLP-1-Weg dennoch ein wichtiger Zielmechanismus bleibt. Sie verweisen auf starke Labordaten zu neuroprotektiven Wirkungen der GLP-1-Rezeptoragonist-Klasse sowie epidemiologische Daten zum schützenden Effekt bzgl. der Parkinson-Entwicklung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes.
Im April 2024 hatte eine multizentrische klinische Studie ergeben, dass die Substanz Lixisenatid (ebenfalls ein GLP-1 Rezeptoragonist) das Fortschreiten der Parkinson-Symptome in einem geringen, aber statistisch signifikanten Umfang verlangsamt [8]. Weitere Studien zu höheren Dosierungen oder zur Verbesserung der ZNS-Durchdringung von GLP-1-Rezeptoragonisten müssen folgen.
Literatur:
[1] Pagano G, Taylor KI, Anzures Cabrera J et al. Prasinezumab slows motor progression in rapidly progressing early-stage Parkinson’s disease. Nat Med 30, 1096–1103 (2024). http://www.doi.org/10.1038/s41591-024-02886-y
[2] Pagano G, Taylor KI, Anzures-Cabrera J et al. Trial of Prasinezumab in Early-Stage Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2022;387(5):421-432. www.doi.org/10.1056/NEJMoa2202867 (PASADENA)
[3] Nikolcheva T, et al. A Phase 2b, multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled study to evaluate the efficacy and safety of intravenous prasinezumab in early-stage Parkinson's disease (PADOVA): Rationale, design, and baseline data. Parkinsonism Relat Disord. 2025;132:107257. www.doi.org/10.1016/j.parkreldis.2024.107257
[4] Vijiaratnam N, Girges C, Auld G, et al. Exenatide once a week versus placebo as a potential disease-modifying treatment for people with Parkinson’s disease in the UK: a phase 3, multicentre, double-blind, parallel-group, randomised, placebo-controlled trial. Lancet. Published online February 4, 2025. doi:10.1016/S0140-6736(24)02808-3
[5] Pagano, G., Monnet, A., Reyes, A. et al. Sustained effect of prasinezumab on Parkinson’s disease motor progression in the open-label extension of the PASADENA trial. Nat Med (2024). www.doi.org/10.1038/s41591-024-03270-6
[6] Aviles-Olmos I, Dickson J, Kefalopoulou Z, Djamshidian A et al. Exenatide and the treatment of patients with Parkinson’s disease. J Clin Invest. 2013 Jun;123(6):2730-6. doi: 10.1172/JCI68295
[7] Athauda D, Maclagan K, Skene SS et al. Exenatide once weekly versus placebo in Parkinson's disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2017; 390:1664-1675
[8] Meissner WG, Remy P, Giordana C, et al. Trial of Lixisenatide in Early Parkinson’s Disease. N Engl J Med. 2024;390(13):1176-1185. doi:10.1056/NEJMoa2312323
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e. V. (DPG)
c/o albertZWEI media GmbH
Dipl.-Biol. Sandra Wilcken
Tel.: +49 (0) 89 46148622; E-Mail:
www.parkinson-gesellschaft.de/presse
Die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) fördert die Erforschung der Parkinson-Krankheit und verbessert die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Organisiert sind in der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft Parkinson-Ärztinnen und -Ärzte, Grundlagenforscherinnen und -forscher sowie andere Berufsgruppen mit einschlägiger qualifizierter Ausbildung. Die Zusammenarbeit ist entscheidend für die Fortschritte in Diagnostik und Therapie. Die DPG finanziert ihre Arbeit ausschließlich über Spenden. Sie kooperiert eng mit der von ihr im Jahr 2019 gegründeten Parkinson Stiftung. Jeder finanzielle Beitrag bringt die Erforschung der Parkinson-Krankheit weiter voran. www.parkinson-gesellschaft.de
1. Vorsitzende: Prof. Dr. med. Kathrin Brockmann, Tübingen
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Joseph Claßen, Leipzig
3. Vorsitzende: Prof. Dr. med. Brit Mollenhauer, Kassel
Schriftführer: Prof. Dr. med. Carsten Eggers, Bottrop
Schatzmeister: Prof. Dr. med. Lars Tönges, Bochum
Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e. V. (DPG)
Hauptstadtbüro, Budapester Str. 7/9, 10787 Berlin, E-Mail:
Die Parkinson Stiftung engagiert sich in den Bereichen „Forschen. Informieren. Betroffenen helfen“. Sie informiert und klärt zur Parkinson Erkrankung auf. Sie fördert die Prävention und Früherkennung und unterstützt die Selbsthilfe von Betroffenen. Die Wissenschaft, Forschung, Lehre, Aus- und Fortbildung im Bereich des Parkinson-Syndroms, neurologischer Bewegungsstörungen und anderer degenerativer Erkrankungen des Nervensystems wird von der Stiftung aktiv gefördert, um die medizinische Versorgung in diesem Bereich zu verbessern. Die Stiftung setzt sich im Austausch mit Wissenschaftler:innen weltweit für neue Therapien ein, die nicht nur Symptome lindern, sondern die Krankheit verlangsamen oder heilen können. Dadurch soll die Lebensqualität der Betroffenen weiter verbessert werden. Parkinson breitet sich weltweit zunehmend aus – aktuelle Schätzungen gehen von etwa 6 Mio. Betroffene weltweit aus. In Deutschland sind hiervon mehr als 400.000 Menschen betroffen, Tendenz steigend.
1. Vorsitzender: Prof. Dr. Jens Volkmann, Würzburg
2. Vorsitzende: Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, Kassel
3. Vorsitzender: Prof. Dr. Dirk Woitalla, Essen
Schriftführer: Prof. Dr. Georg Ebersbach, Beelitz
Schatzmeister: Prof. Dr. Manfred Gerlach, Hammelburg
Parkinson Stiftung
Albrechtstraße 11, 10117 Berlin, E-Mail: