Fortschritte der Parkinson-Forschung: vom Diabetes-Medikament bis zur Früherkennung durch künstliche Intelligenz
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Parkinson ist nicht nur die zweithäufigste, sondern auch die am schnellsten wachsende neurodegenerative Erkrankung weltweit. In Deutschland sind rund 400.000 Menschen betroffen. Die meisten erkranken ab Ende 50 oder in ihren Sechzigern, aber es gibt auch weit jüngere Patient:innen. Parkinson kann bisher noch nicht ursächlich, aber sehr gut symptomatisch behandelt werden. „Die Parkinson-Forschung macht in allen Bereichen spannende Fortschritte – von der molekularen und frühen Diagnostik über die Entschlüsselung genetischer Ursachen bis zur Entwicklung neuer Therapien und der Nutzung künstlicher Intelligenz“, sagte Prof. Joseph Claßen, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig, anlässlich des DPG-Kongresses 2024 in Rostock.

Große Hoffnung liegt unter anderem auf der Entwicklung neuer Medikamente. Entsprechend interessant sind die gerade erschienenen Daten aus einer Arbeitsgruppe in Frankreich [1]. Sie zeigen Hinweise, dass sich mit dem Diabetes-Mittel Lixisenatid, das zur Substanzgruppe der GLP1-Agonisten gehört, möglicherweise der Verlauf der Erkrankung verlangsamen lässt. Untersucht wurden 156 Personen in einem frühen Stadium der Erkrankung, die alle bereits Parkinson-Medikamente (Levodopa oder andere Arzneimittel) in stabiler Dosis einnahmen. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr lang den Wirkstoff Lixisenatid, die anderen ein Placebo. Nach 12 Monaten zeigten die Teilnehmenden der Placebo-Kontrollgruppe wie erwartet eine Verschlechterung ihrer Symptome. Auf einer Skala zur Bewertung des Schweregrads der Parkinson-Krankheit, mit der gemessen wird, wie gut die Betroffenen Aufgaben wie Sprechen, Essen und Gehen ausführen können, hatte sich ihr Befund um drei Punkte verschlechtert. Bei denjenigen, die das Medikament einnahmen, änderte sich die Punktzahl auf dieser Skala nicht.

„Sollte sich dieser Befund in länger angelegten Studien bestätigen, läge damit erstmals ein Medikament vor, mit dem sich in den Verlauf der Parkinson-Krankheit eingreifen ließe“, betonte Prof. Claßen. Aufgrund der starken Nebenwirkungen von Lixisenatid in Form von Übelkeit und Erbrechen bestehe allerdings auch Bedarf an vergleichbaren Studien mit neueren, besser verträglichen Medikamenten derselben Substanzklasse. „Interessant ist außerdem die Frage, ob GLP-1-Medikamente vor dem Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen schützen und vielleicht den Ausbruch von Parkinson verhindern können.“ Für die Wissenschaft wäre das ein Durchbruch, denn Parkinson lässt sich bisher nicht ursächlich behandeln.

Verbesserte Früherkennung durch künstliche Intelligenz

Aktuelle Parkinson-Therapie-Studien zielen daher auch darauf ab, den Krankheitsverlauf und das Absterben von Dopamin-Neuronen frühzeitig zu stoppen, noch vor dem Auftreten erster Symptome. „Das wäre eine enorme Chance, Parkinson zu bremsen oder gar den Ausbruch zu verhindern“, so Prof. Claßen. Voraussetzung ist die frühe Diagnostik – hier könnte der zunehmende Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI), die Forschende auf Basis kinematischer und anderer physiologischer Daten, bildgebender Daten und von Biomarkern aus Blut, Liquor oder Gewebsproben entwickeln, künftig eine wichtige Rolle spielen.

KI-Systeme erkennen Bewegungs-, Sprach- und Atemmuster

Daten einer Studie aus Großbritannien haben beispielsweise gezeigt, dass am Handgelenk getragene Bewegungssensoren bis zu sieben Jahre vor der klinischen Diagnosestellung auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung hinweisen können [2]. Auch die KI-gestützte Analyse gesprochener Sprache könnte die Früherkennung verbessern: In einer Studie wurde untersucht, ob Patient:innen mit einem höheren Schweregrad sprachlicher und akustischer Auffälligkeiten ein höheres Risiko haben, eine neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln. Die automatisierte Sprachanalyse könnte bei Patient:innen mit isolierter REM-Schlafverhaltensstörung, einem Frühsymptom der Parkinson-Krankheit, Hinweise darauf geben, welcher Verlauf zu erwarten ist, und die Phänokonversion vorhersagen [3]. Außerdem können KI-unterstützte Apps am nächtlichen Atemmuster einer Person erkennen, ob eine Parkinson-Erkrankung vorliegt und, wenn ja, mit welchem Schweregrad [4].

Fern-Monitoring und genauere Differenzialdiagnose durch KI

KI ermöglicht auch das Monitoring von Personen mit Parkinson und anderen Bewegungsstörungen aus der Ferne, etwa in Regionen mit begrenztem Zugang zu neurologischer Versorgung. In einer Studie konnte ein Modell für maschinelles Lernen den Schweregrad von Parkinson-Symptomen anhand von Fingertipp-Aufgaben der Teilnehmenden, die mit einer Webcam aufgezeichnet wurden, mit brauchbarer Genauigkeit bewerten [5]. Die KI- unterstützte Auswertung von Positronen-Emissions-Tomographie-(PET-)Bildgebung entwickelt sich zu einem vielversprechenden Instrument für die Differenzialdiagnose der Parkinson-Krankheit [6].

„Dies sind ausgewählte Beispiele für zahlreiche vielversprechende Parkinson-Studienergebnisse im Bereich KI, die allerdings erst jeweils in der klinischen Praxis validiert werden müssen. Zudem fehlt bisher die Anwendung von KI auf multimodale Daten. Stand heute hat KI für Parkinson-Patient:innen noch keine besondere Bedeutung. Ich sehe aber großes Potenzial, dass in einigen Jahren KI die frühe Diagnose und die individuellen Therapiemöglichkeiten bei Parkinson deutlich verbessert“, ist Prof. Claßen überzeugt.

Weitere aktuelle Ergebnisse der Parkinson-Forschung werden vom 25. bis 27. April auf dem Deutschen Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen in Rostock präsentiert.

Referenzen

  1. Meissner WG, Remy P, Giordana C et al. Trial of Lixisenatide in Early Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2024;390(13):1176-1185. doi:10.1056/NEJMoa2312323
  2. Schalkamp AK, Peall KJ, Harrison NA, Sandor C. Wearable movement-tracking data identify Parkinson's disease years before clinical diagnosis. Nat Med. 2023;29(8):2048-2056. doi:10.1038/s41591-023-02440-2
  3. Šubert M, Novotný M, Tykalová T et al. Spoken Language Alterations can Predict Phenoconversion in Isolated Rapid Eye Movement Sleep Behavior Disorder: A Multicenter Study. Ann Neurol. 2024;95(3):530-543. doi:10.1002/ana.26835
  4. Yang Y, Yuan Y, Zhang G et al. Artificial intelligence-enabled detection and assessment of Parkinson's disease using nocturnal breathing signals. Nat Med. 2022;28(10):2207-2215. doi:10.1038/s41591-022-01932-x
  5. Islam MS, Rahman W, Abdelkader A et al. Using AI to measure Parkinson's disease severity at home. NPJ Digit Med. 2023;6(1):156. Published 2023 Aug 23. doi:10.1038/s41746-023-00905-9
  6. Wang J, Xue L, Jiang J, et al. Diagnostic performance of artificial intelligence-assisted PET imaging for Parkinson's disease: a systematic review and meta-analysis. NPJ Digit Med. 2024;7(1):17. Published 2024 Jan 22. doi:10.1038/s41746-024-01012-z

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Die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) fördert die Erforschung der Parkinson-Krankheit und verbessert die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Organisiert sind in der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft Parkinson-Ärztinnen und Ärzte, Grundlagenforscher:innen und andere Berufsgruppen mit einschlägiger qualifizierter Ausbildung. Die Zusammenarbeit ist entscheidend für die Fortschritte in Diagnostik und Therapie. Die DPG finanziert ihre Arbeit ausschließlich über Spenden. Sie kooperiert eng mit der von ihr im Jahr 2019 gegründeten Parkinson Stiftung. Jeder finanzielle Beitrag bringt die Erforschung der Parkinson-Krankheit weiter voran. www.parkinson-gesellschaft.de

1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Joseph Claßen, Leipzig
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Alexander Storch, Rostock
3. Vorsitzende: Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Tübingen
Schriftführer: Prof. Dr. med. Carsten Eggers, Duisburg-Essen
Schatzmeister: Prof. Dr. med. Lars Tönges, Bochum

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