Parkinson-Inzidenz in Deutschland – Kontroverse um Studien
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Parkinson-Inzidenz in Deutschland – Kontroverse um Studien

Aktuelle Analysen von Krankenkassendaten beschreiben einen möglichen Rückgang der Zahl der Neuerkrankungen (Inzidenz) von Parkinson in Deutschland in den vergangenen Jahren – entgegen dem Trend weltweit steigender absoluter Fallzahlen.

Die Entwicklung der Zahlen zur Parkinson-Erkrankung ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten. Internationale Studien, wie die Global Burden of Disease Study (GBD), zeigen sowohl weltweit als auch für Deutschland einen Anstieg der Inzidenz und Prävalenz und prognostizieren angesichts der demografischen Entwicklung eine weitere Zunahme der Krankheitslast [1,2]. Laut einer im März 2025 im British Medical Journal publizierten Studie könnte sich die Zahl der weltweit an Parkinson Erkrankten von 11,9 Millionen im Jahr 2021 auf 25,2 Millionen im Jahr 2050 mehr als verdoppeln [1].

Im Gegensatz dazu berichten verschiedene Analysen auf Basis von deutschen Krankenkassendaten von einem Rückgang der altersstandardisierten Inzidenz in den letzten Jahren [3,4]. So hat eine Studie, die im Dezember 2024 im Journal of Parkinson´s Disease veröffentlicht wurde, die Daten von jeweils 250.000 AOK-Versicherten ab 50 Jahren in den Zeiträumen 2006-2008 und 2016-2018 verglichen [3]. Sie kam zu dem Ergebnis steigender Inzidenz für Männer und Frauen mit dem Alter, aber einer generalisierten „Risikoreduktion“ über alle Gruppen hinweg um 18 % im zweiten Zeitraum.

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. ist dieses Ergebnis zu hinterfragen. „Aus den alters- und geschlechtsspezifischen Inzidenzen geht hervor, dass sich die 95 % Konfidenzintervalle weitgehend überschneiden, sodass nicht von einer signifikanten Reduktion der Inzidenz ausgegangen werden kann“, sagt Prof. Kathrin Brockmann, 1. Vorsitzende der DPG. Ein Kritikpunkt der Studien-Methodik liegt in der impliziten Annahme, dass eine kausale Analyse durchgeführt werden könne, um einen Zeiteffekt unter Adjustierung für „Risikofaktoren“ zu berechnen. „Zudem sind die vorliegenden Daten lediglich repräsentativ für die AOK-Versicherten, jedoch nicht für die Gesamtbevölkerung in Deutschland.“ Es sei gut möglich, dass sich die Gruppe der AOK-Versicherten der beiden Zeiträume aus verschiedenen Gründen unterscheiden, was zu Unterschieden in den beobachteten Inzidenzen führen kann.

Methodische Unsicherheiten: DPG sieht Forschungsbedarf

Eine abschließende Erklärung für den mutmaßlichen Rückgang der Neuerkrankungen gibt es nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. zweifelt an einem generellen Rückgang der Parkinson-Inzidenz in Deutschland und beurteilt die Ergebnisse vorliegender Studien hierzu weiterhin kritisch [5]. „Neben möglichen epidemiologischen Veränderungen bei Parkinsonrisikofaktoren könnten beispielsweise auch Änderungen im Diagnose- und Kodierverhalten oder reduzierte Arztbesuche während der COVID-19-Pandemie 2020-2022 die Ergebnisse beeinflussen“, betont Prof. Kathrin Brockmann. Die DPG sieht weiterhin erheblichen Forschungsbedarf, um die tatsächliche Entwicklung der Parkinson-Inzidenz in Deutschland valide zu beurteilen.

Literatur

[1] Su D, Cui Y, He C, Yin P, Bai R, Zhu J et al. Projections for prevalence of Parkinson’s disease and its driving factors in 195 countries and territories to 2050: modelling study of Global Burden of Disease Study 2021 BMJ 2025; 388:e080952 doi:10.1136/bmj-2024-080952
[2] GBD Parkinson’s Disease Collaborators. Global, regional, and national burden of Parkinson’s disease, 1990-2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. Lancet Neurol. 2018;17(11): 939-53. doi: 10.1016/S1474-4422(18)30295-3.
[3] Fink A, Pavlou MAS, Roomp K, Schneider JG. Declining trends in the incidence of Parkinson’s disease: A cohort study in Germany. Journal of Parkinson’s Disease. 2024;15(1):182-188. doi:10.1177/1877718X241306132
[4] MK, Bätzing J, Holstiege J. Inzidenztrends des diagnostizierten idiopathischen Parkinson-Syndroms in den Jahren 2013 bis 2019. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 22/06. Berlin 2022. https://doi.org/10.20364/VA-22.06
[5] https://parkinson-gesellschaft.de/die-dpg/presseservice/pressemeldungen/162-parkinson-diagnosen-in-deutschland-auf-hohem-niveau-keine-grundsaetzliche-trendwende

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